02.08.2024
Hinschauen, Erinnern, Verändern
Am 1. August wurde in der Stadtkirche St. Marien die Ausstellung "Von christlicher Judenfeindschaft" eröffnet.
Der Donnerstag in der Stadtkirche stand ganz im Zeichen der Eröffnung der Wanderausstellung "Von christlicher Judenfeinschaft". Diese Ausstellung wurde entwickelt von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) in Kooperation mit dem Kloster Stift zum Heiligengrabe und ist gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Dr. Felix Klein. Sie thematisiert insbesondere die Stereotypen des Antijudaismus, wie sie sich im Mittelalter häufig finden, ordnet sie in Zeit ein und beleuchtet Hintergründe und Auswirkungen.
Schon am frühen Nachmittag war die Presse zu einem Gespräch in die Sakristei der Stadtkirche eingeladen und das Stadtgebet stand ebenfalls im Zeichen der Ausstellung.
In der Eröffnungsveranstaltung gaben Äbtissen Dr. Ilsabe Alpermann und Stiftsfrau Dr. Irmard Schwaetzer (beide Kloster Stift zum Heiligengrabe) einen Einblick in die Entwicklung der Ausstellung. Dr. Alpermann ordnete die Thematik theologisch ein uns spann einen Bogen, beginnend bei den Evangelien und den Paulusbriefen üebr Luther bis in die Neuzeit. Die Abgrenzung des neuen Weges frühen Christen gegenüber dem Judentum wird zur Abwertung und schließlich zur Feindschaft. Diese theolische Haltung führt nicht automatisch zu Rassismus und Antisemitismus, wird aber in die rassistischen Denkmuster überführt.
Dr. Schwaetzer ging besonders auf Legende ein, die zur Gründung des Klosters Heiligengrabe führte und zeigte auf, wie sich die Fabeln und Lügengeschichten über "den Juden" bis über die Romantik hin ausbreiten und tief im Denken und Fühlen verwurzelt sind.
Vor diesem einführenden Vortrag hatte der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates, Jörg Bielig, die Gäste und Mitwirkenden begrüßt und einen ersten Überblick zur Stätte der Mahnung gegeben. Dr. Hanna Kasparick (Mitglied im Ausschuss zur Weiterentwicklung der Stätte der Mahnung) führte die aktuelle Arbeit an dieser Mahnstätte weiter aus.
Diesem Beginn schlossen sich Grußworte von Dr. Felix Klein (Beauftragter der Bundesregierung für Jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus) und der Bildungsministerin des Landes Sachsen-Anhalt, Eva Feußner, an.
Dr. Klein machte noch einmal deutlich, dass Juden in christlichen Gesellschaften seit Jahrhunderten ausgegrenzt waren. Bis heute werden antijüdische Aussagen (Fabeln, Stereotype) als Tatsachen in der Gesellschaft verbreitet. Daraus ergibt sich u. a. die Aufgabe, mit den vielfältigen Zeugnissen der Judenfeinschaft zum Beispiel in und an Kirchengebäuden, mit vulgären Darstellungen und mehr wohlüberlegt umzugehen. Ausdrücklich begrüßte er die intensive Arbeit an und mit der Stätte der Mahnung in Wittenberg. Er machte darüberhinaus deutlich, dass die Bekämpfung von Judenhass eine vordringliche Aufgabe der gesamten Bevölkerung ist.
Feußner ging auf die Sicherheitslage der jüdischen Bevölkerung in Deutschland ein und legte einen Schwerpunkt auf die Bildungsaufgabe. Nötig ist, Antijudaisumus und Antisemitismus in ihrer Geschichte und in ihren Auswirkungen heute im Unterricht zu thematisieren, Gedenkstätten aufzusuchen und im Prozess zu bleiben um die Aufarbeitung der Geschichte der Schmähplastik.
In seiner Einladung zu weiteren Gesprächen im Alten Rathaus im Anschluss an die Eröffnung betonte Oberbürgermeister Torsten Zugehör, dass die Arbeit in Wittenberg das Problem des Antismeitismus und auch des Umgangs mit solchen historischen Zeugnissen nicht lösten wird. Es bleibe eine Daueraufgabe.
Zugleich machte er deutlich, dass einerseits die Kirchengemeinde und auch die Stadtgesellschaft eine Bringschuld habe. Der geht sie nach mit ihrer Weiterentwicklung der Mahnstätte, mit Gedenk- und Mahnveranstaltungen, mit dem Israelsonntag und aktuell der Ausstellung. Aber es gäbe auch eine Holschuld: Menschen müssen sich mit dem Thema befassen, Ausstellungen und Gedenkveranstaltungen auch besuchen. Zum Ende danke er besonders den Ehrenamtlichen, die sich im Gemeindekirchenrat, im Ausschuss zur Weiterentwicklung der Stätte der Mahnung und weiterer Gremien engagieren. Sie sind die ersten, die gefragt und kritisiert werden und die das gemeinsam aushalten und weiterarbeiten.
Im Alten Rathaus trugen sich Ministerin Feußner, Dr. Klein, Dr. Schwaetzer und Dr. Alpermann in das Goldene Buch der Stadt Wittenberg ein. Und an Tischen oder stehend wurde noch lange miteinander diskutiert.
Die Aussstellungseröffnung wurde von Christoph Hagemann (Orgel, Flügel) und Jonas Seeberg (Cello) musikalisch gestaltet. Sie hatten Werke von Györgi Ligeti, Josef Gabriel Rheinberger, Ernest Bloch und Felix Mendelssohn-Bartholdy ausgesucht, die den Ausstellungscharakter angemessen und unterstützend aufgriffen.
Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten der Stadtkirche noch bis zum 31. August täglich zu besuchen – montags bis samstags von 11 bis 17 Uhr, sonntags ab 12:30 Uhr bis 17 Uhr.
Zum Nachlesen: